Im Jahr 2014 wurde Marco Kistner (CSU) erstmals zum Bürgermeister von Veitsbronn gewählt. Bei den Kommunalwahlen im März 2020 bestätigten die Bürger*innen ihn im Amt. Mit Josh Reuter sprach der 40-Jährige über bisherige Projekte und Erfolge, über Hochwasserschutz und Wohnungsnot, die bevorstehende Bundestagswahl und seinen Lieblingsverein, den 1. FC Nürnberg.

Bürgermeister Kistner, wie hat Corona Ihre Arbeit verändert?
„Besonders gravierend ist die Zahl der Videokonferenzen, die es vorher nicht gab, aber auch, dass viele Mitarbeiter von zuhause aus arbeiteten. Damit einher ging eine Steuerung der Besucherströme im Rathaus mit Terminvereinbarung. Trotz dieser Einschränkungen konnte das Tagesgeschäft weiter gut erledigt werden. Was in meinem Alltag von einem Tag auf den nächsten wegfiel, waren die Besuche zu Geburtstagen und Jubiläen, die zwar mittlerweile wieder stattfinden, aber an der frischen Luft.“

Wie soll es in Sachen „Verkehr“ in Veitsbronn weiter gehen?
„Die Verkehrsproblematik ist eine Herausforderung in vielen Kommunen, denn leider warteten Verkehrsplanungsbüros nicht unbedingt darauf, ein Konzept gerade für unsere Gemeinde zu entwickeln. Wir sind jetzt aber endlich auf der Zielgeraden. In Kürze werden sich im Gemeinderat interessierte Büros vorstellen, so dass wir eine Beauftragung vornehmen können. Hätte ich DIE ultimativ beste Lösung für die Verkehrsproblematik parat, könnten wir uns ein Büro sparen. Für mich sind aber zwei Punkte klar. Erstens: Eine große Lösung für den Nord-Süd-Verkehr zwischen Erlangen und Ansbach kann es nicht nur auf Veitsbronner Gebiet geben. Deswegen dürfte das ein Großprojekt mit mehreren beteiligten Ebenen werden. Zweitens: Es dürfte eine Vielzahl von Bausteinen sein. Auch aus dem Gemeinderat liegen einige Ideen (bspw. Einbahnstraßenregelung auf verschiedenen innerörtlichen Abschnitten) vor, welche das Planungsbüro bewerten und priorisieren muss. Nachdem alle durchführenden Straßen Kreisstraßen sind, muss am Ende auch das Staatliche Bauamt zustimmen.“

In Raindorf soll ein Solarpark entstehen. Gibt es seitens der Gemeinde weitere Pläne in Bezug auf den Ausbau regenerativer Energien?
„Seitens der Gemeinde wird ein Ausbau regenerativer Energien grundsätzlich begrüßt, weshalb wir einen Leitlinienkatalog als Richtschnur für Interessenten erstellt haben. Allerdings werden wir nicht selbst als Investor und Planer aktiv, auch mangels eigener Flächen. Es müssen immer mehrere Punkte zusammenpassen: Verfügbarkeit der Fläche mit Bereitschaft des Eigentümers, Bereitschaft eines Investors bestenfalls mit Beteiligungsmöglichkeit für Gemeindebürger, möglichst große Verträglichkeit für Landschaft und Landwirtschaft. Neben der Fläche in Raindorf ist aktuell auch ein Grundstück nordöstlich des ASV-Sportzentrums im Verfahren. Auch hat sich im Gemeinderat ein Arbeitskreis gebildet, der den Ausbau von Photovoltaik auf Dächern bewerben und unterstützen will“.

Klima- und Umweltschutz werden groß geschrieben. Was konkret tut Veitsbronn, um seinen Beitrag zu leisten? „Was bereits vorgenommen wurde bzw. in Umsetzung ist: u. a. Strombezug aus erneuerbaren Energiequellen, energetisch hohe Baustandards bei gemeindlichen Vorhaben, Gründung eines Gemeinderats-Arbeitskreises zur Förderung der Photovoltaik, Ermöglichung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen, Beachtung entsprechender Standards bei Beschaffungen bspw. von Schutzkleidung, die gut angenommene Samentütenaktion für Blühflächen. Was konkret in Vorbereitung ist: eine Aufforstung, noch mehr aber eine ökologische Aufwertung möglichst vieler gemeindlicher Flächen. Hier arbeiten wir eng mit dem Landschaftspflegeverband zusammen, der aktuell alle Flächen auf ihre Eignung prüft.“

Seit dem letzten flutartigen Unwetter ist das Thema Hochwasserschutz wieder nach oben geschwemmt worden. Wie gut ist Veitsbronn hier aufgestellt? „Die Breite des Wiesengrundes ist von Vorteil, dennoch haben wir bereits mit dem Wasserwirtschaftsamt einen Hochwasserrisikodialog gestartet. Der bedarf weiterer Abstimmung, auch mit unseren Feuerwehren. Schwerpunkte werden sein: Risikodefinition, insb. zur Frage, welche Bereiche bei welchen Warnstufen nicht nur gewarnt, sondern gegebenenfalls vorsorglich evakuiert werden müssen. Warnung, Information der Bevölkerung über hilfreiche Apps sowie verbesserte Warn- und Einsatzmöglichkeiten für unsere Feuerwehren. Wichtig sind zudem bauliche Maßnahmen in Form eines besseren Schutzes gefährdeter Bereiche und zur Gewinnung weiterer Retentionsflächen. Und es braucht indirekte Maßnahmen zur Reduktion des Abflusses wie eine Erhöhung der Versickerungsfähigkeit von Flächen und Schaffung weiterer Rückhaltebecken, was den Druck auf den Talraum mindert. Generell wird eine allumfassende Lösung auf einem einzigen Gemeindegebiet allein nicht möglich sein. Hier braucht es zwingend die Expertise des Wasserwirtschaftsamtes, um etwaige, nicht nur lokal wirksame Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die mehr leisten, als Überschwemmungen um wenige Minuten hinauszuzögern. Es wird aber immer ein Unsicherheitsfaktor bleiben. Denn nicht jede Eventualität kann präventiv verhindert werden“.

Ihnen ist die Entwicklung der Veitsbronner Ortsmitte wichtig. Welche Etappenziele sind erreicht, welche geplant?
„Erste Etappenziele wurden in den letzten Jahren bspw. mit Hilfe der Städtebauförderung erreicht. Der Gehweg zwischen Altenheim und dem Tuchenbach konnte realisiert werden, ebenfalls eine bauliche Aufwertung am Dorfplatz-Ost mit Aufwertung einer kaputten Asphaltfläche zu einem beschatteten Platz mit behindertengerechter Bushaltestelle und Stromtankstelle. Auch mit der Verlagerung des Jugendtreffs in die alte Mittelschule, die kurz vor dem Abschluss steht, konnte zusammen mit dem FabLab eine sinnvolle Nutzung erreicht werden. Was als nächstes ansteht: Umgestaltungsmaßnahmen auf dem Dorfplatz mit Hilfe des freistaatlichen Förderprogramms ‚Innenstädte beleben‘. Mittelfristig dann auch die Wegeverbindung zwischen Dorfplatz und dem Veitsbad sowie – angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen leider mit größerem Vorlauf als ursprünglich erhofft – die Umgestaltung der bisherigen Bauhoffläche zu einem Ort mit echter Aufenthaltsqualität am Wiesengrund“.

Wie steht es um die Finanzen der Gemeinde?
Die Finanzlage ist herausfordernd. Mit zahlreichen Investitionen in die Infrastruktur müssen wir aktuell massiv in Vorleistung gehen. Vor allem die Erneuerung von Abwässerkanälen und Wasserleitungen und damit verbunden auch der Straßenoberfläche (aktuell u. a. in Kreppendorf und am Wacholderberg) sowie der Ausbau von Regenrückhaltebecken wie aktuell in der Heide I geht richtig ins Geld, ohne dass dies im Alltag spürbar ist. Es wäre nur dann zu spüren, wenn Regen nicht zurückgehalten und stattdessen Straßen überschwemmen oder die Abwasserentsorgung versagen würde. Aber das sind unumgängliche Pflichtaufgaben, in der Regel erst nach Jahrzehnten durch Gebühren refinanziert, die jetzt auf den Gemeindehaushalt durchschlagen. Auch der weiter nötige Ausbau an Kinderbetreuungsplätzen ist eine Herausforderung, die staatlichen Fördergelder hierfür helfen zwar, aber der Großteil muss durch die Gemeinde gestemmt werden. Von daher braucht es eine klare Priorisierung der Maßnahmen, nicht jeder Wunsch kann erfüllt werden, vor allem nicht von jetzt auf gleich.

Ist absehbar, wie sich die Corona-Pandemie auf die Finanzen auswirken wird?
„Aktuell hält sich die Eintrübung noch in Grenzen, selbst bei der Einkommensteuer liegen wir gut. Aber wie es weitergeht, vor allem auch mit staatlichen Ausgleichsmaßnahmen, bleibt leider spannend …“ Wie wichtig sind finanzielle Förderungen, um Projekte umsetzen zu können? „Einerseits immer wichtiger. Andererseits wäre vieles einfacher und schneller umsetzbar, wenn die gemeindliche Finanzausstattung von vornherein höher wäre. Kurz gesagt: hohe Grundausstattung, keine Förderung und weniger Bürokratie statt mittlerer Grundausstattung, mittlerer Förderung und größerer Bürokratie wären einen Versuch wert…“

Welches Projekt liegt Ihnen besonders am Herzen?
„Grundsätzlich braucht es einen langen Atem, um Projekte umsetzen zu können. Verwaltung und Gemeinderat wenden aktuell viel Zeit für Projekte auf, die erst in ein paar Jahren betrachtet werden können, so. bspw. im Bereich Kindergarten- und Wohnungsbau. Gerade freut es mich, dass der neue Jugendtreff auf der Zielgeraden zur Fertigstellung ist. Insgesamt fünf Jahre Diskussion, Planung, Förderverfahren und Bauzeit werden sich dann gelohnt haben und den Jugendlichen eine tolle Möglichkeit zur Freizeitgestaltung bieten“.

In den vergangenen Jahren gab’s viel Bürgerbeteiligung. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
„Die sind überwiegend positiv. Voraussetzung für ein Gelingen und eine Akzeptanz ist es jedoch, viel miteinander zu reden und zu erklären, vor allem bzgl. baulicher und rechtlicher Zwänge, die nicht einfach außer Kraft gesetzt werden können. Auch hier gilt: Es braucht einen langen Atem und Geduld, da nicht jedes Projekt von jetzt auf gleich umgesetzt werden kann. Hier bin ich froh, dass dieses Verständnis bei uns in der Gemeinde überwiegt und sich wieder viele Mitbürger*innen finden, die sich einbringen“.

Wie schwer ist es, für eine Gemeinde und ihre Bürger immer das Richtige zu entscheiden? Was ist überhaupt„das Richtige“?
„‚Das Richtige‘ liegt immer im Auge des Betrachters – und jeder hat unterschiedliche Vorstellungen darüber, was zu tun ist. Insofern bin ich mir sicher: Es gibt immer abweichende Meinungen. Im Gemeinderat suchen wir kontinuierlich nach Kompromissen, ohne die es in den meisten Fällen einfach nicht geht. Ich versuche, Brücken zu bauen, aber begehen muss sie jeder selbst. Wichtig ist: Entscheidungen sollten nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden. Dass sich eine getroffene und umgesetzte Entscheidung im Nachhinein auch objektiv einmal als falsch erweist, gehört zum demokratischen Prozess dazu, denn weder Verwaltung noch Gemeinderat und Bürgermeister sind unfehlbar.“

Sie sind in der zweiten Amtszeit – gibt es etwas, das erreicht wurde und auf das Sie stolz sind?
„Stolz ist nicht der richtige Ausdruck, aber mich freut die große Bandbreite und Vielzahl an Projekten, die in diesen sieben Jahre umgesetzt, bzw. in die Wege geleitet wurden. Von Infrastrukturprojekten im Kanal- und Brückenbau über die Ausweisung eines neuen Wohn- und eines Gewerbegebietes, die Anschaffung neuer Feuerwehrfahrzeuge, bis hin zur Umsetzung von Städtebauförderungsmaßnahmen sowie Krippen- und Kindergartenbauten, war so ziemlich alles an möglichen Aufgaben der Kommunalpolitik dabei.“

Wie viel Veränderung verträgt eine kleine Kommune wie Veitsbronn?
„Als kleine Kommune kann man Veitsbronn angesichts von knapp 6.700 Einwohnern nicht mehr wirklich bezeichnen. Die Lage inmitten der Metropolregion, kurz vor den Außenbezirken der drei größten Städte Mittelfrankens und entlang verschiedener Verkehrsachsen, bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich. Wir müssen nicht alles umkrempeln, aber wir brauchen Veränderung im Sinne einer weiteren Entwicklung und Anpassung vor allem im Bereich der Infrastruktur.“

Was kann die Kommune tun, um der Wohnungsnot zu begegnen?
„Die durchaus angespannte Lage wird besonders dadurch verursacht, dass Veitsbronn als Wohnort sehr begehrt ist. Aber auch unsere Flächen sind nicht unbegrenzt verfügbar. Optimal wäre: auf weniger Fläche mehr Wohneinheiten mit dennoch ausreichend Stellplätzen und Grünflächen ohne zusätzliche Versiegelung. Weil dass aber nicht geht, braucht es mehrere Bausteine: Die konstruktive Begleitung von Anträgen auf Nachverdichtung unter Beachtung der Belange der Nachbarschaft, regelmäßige Prüfung möglicher gemeindlicher Vorkaufsrechte und mittelfristig auch wieder die Prüfung eines weiteren Wohnbaugebiets. Daneben wollen wir die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in Angriff nehmen.“

Kurzer Blick auf die Bundestagswahl: Was erhoffen bzw. erwarten Sie?
„Als Bürgermeister erhoffe ich mir eine Bundesregierung, die das Verursacherprinzip beachtet. Wer bestellt, muss auch bezahlen! Ein Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung auch für Kinder im Grundschulalter ist an sich kein Problem, aber von den Kommunen den Ausbau der dafür nötigen Infrastruktur zu verlangen, ihnen jedoch keine ausreichende finanzielle Unterstützung zu geben und sich einen schlanken Fuß zu machen, darf nicht passieren. Generell wäre etwas mehr Realitätsnähe des ‚Raumschiff Berlin‘ wünschenswert.“

Sie sind FCN-Fan – was wünschen Sie sich für die kommende Saison?
„Als Club-Fan ist man an ein Auf und Ab gewöhnt, ständig Meister zu werden wäre aber ja auch etwas langweilig. Für diese Saison bin ich optimistisch, der Club kann oben mitspielen. Sollte ein Rädchen ins andere greifen, wie letzte Saison bei Greuther Fürth, dann kann der Fahrstuhl sogar wieder nach oben fahren. Zum Kleeblatt kann ich nur sagen: Chapeau! Der Club hat eigentlich bessere Ausgangsbedingungen, aber das Kleeblatt holte aus weniger einfach mehr heraus. Schön wäre es, gäbe es ein fränkisches Erstligaderby in der Saison 2022/2023.“

Wenn Sie irgendwann nicht mehr Bürgermeister sein sollten – was soll man über Sie sagen?
„Auch wenn ich mich jetzt nicht wirklich schon mit dem Thema Ruhestand auseinander setze, als kurzes fränkisches Fazit wäre nicht verkehrt: Da is was vorwärtsgangen, des hat scho bassd.“

Was halten Sie nach einem Jahr „HIER in Veitsbronn“ vom Boulevard-Journal?
„Ich bin froh, dass es das ‚HIER in Veitsbronn‘ gibt und gratuliere zum 1. Geburtstag! Mit dem gerichtlich beschnittenen Umfang des Gemeindeblattes (was im Übrigen ganz aktuell auch die Stadt Fürth mit ihrer Stadtzeitung betrifft) entfiel eine Plattform, die vor allem für unsere Vereinslandschaft wichtig war, und die dank ‚HIER in Veitsbronn‘ gefüllt werden konnte. Deshalb wünsche ich weiterhin gutes Gelingen und viel Erfolg!“

Danke, Herr Bürgermeister, für das aufschlussreiche Interview und auf eine gute Zusammenarbeit.

© JOSH 2021