Alfred Strunz war zwölf Jahre lang Gemeindeheimatpfleger von Veitsbronn – der Erste seiner Art
Was ein Dorf so an Utensilien hat, das steht in kompakter Form im Heimatraum. Waschbrett, Milchkanne, Fleischwolf, alte Schulbänke, knorrige Bauernschränke, eine Buttermaschine, Waschkessel und vieles mehr. „Das ist alles funktionsfähig“, unterstreicht Alfred Strunz. Strunz ist der Herr im Heimatraum, der sich neben dem Eingang zum Veitsbad befindet. Er hat den Veitsbronner Heimat- und Geschichtsverein e. V. im Jahr 2007 gegründet. Aus den 13 Gründungsmitgliedern sind mittlerweile 140 Mitglieder geworden. Der Verein findet Anklang. Seit 2008 ist Alfred Strunz zusätzlich der ehrenamtliche Gemeindeheimatpfleger von Veitsbronn. Auch das war seine Idee und der Gemeinderat konnte nichts Besseres tun, als dem zuzustimmen. Zwölf Jahre lang hat Alfred Strunz sein Amt mit Leidenschaft ausgefüllt. „Ich durfte unter zwei Bürgermeistern dienen“, sagt er schmunzelnd, „100 Prozent meiner Anträge wurden genehmigt.“ Die Veitsbronner wussten schnell, was sie an ihm haben. Alfred Strunz, früher im kaufmännischen Bereich tätig und mittlerweile Ruheständler, ist Veitsbronner mit Leib und Seele – und er hat ein Faible für alte Dinge mit Geschichte. „Im Heimatraum sind nur etwa zehn Prozent unserer Objekte zu sehen“, so Strunz. Alle anderen sind ausgelagert. Aber schon dieser Ausschnitt lässt den Besucher staunen. Vieles kennt man von der Großmutter und Erinnerungen schwingen sofort mit. Der Heimatraum, der 2010 offiziell eingeweiht wurde, ist kein Museum im ursprünglichen Sinn, sondern ein bürgernaher Raum. Corona hat die Vereinsaktivitäten momentan ausgebremst, aber in unbeschwerten Zeiten gibt es Führungen und es finden hier Kochkurse der VHS am historischen Herd statt. Kinder haben beim Ferienprogramm am Waschbrett geschrubbt oder alte Seile gedreht, und die traditionelle Adventskalenderaktion hat hier stets mit dem ersten „offenen Türchen“ begonnen.
Alfred Strunz ist ein Mann des Volkes. Nahbar, bestens vernetzt und kennt gefühlt jeden anderen Veitsbronner. Daher war es kein Wunder, dass dem Verein die unzähligen Objekte entgeltlos geschenkt wurden. „Und wir bekommen weiterhin Sachen“, so der Vorsitzende. Stolz ist er aktuell auf eine der ersten Einbauküchen. Rosa, hellblau, gelb strahlt die Küche aus der Zeit des Wirtschaftswunders, die bis vor kurzem noch in einem Veitsbronner Haus stand – und benutzt wurde. Strunz hat sie abgeholt und hofft, sie bald zeigen zu können. Eine seiner Maxime heißt: Immer hingehen und die Sachen anschauen. „Sonst bekommst du nichts mehr angeboten“, sagt er.
„Das war Pionierarbeit“, sagt Alfred Strunz
Die Personalunion als Vereinsvorsitzender und Heimatpfleger hat seinen Wirkungsbereich noch verstärkt. Ein Meilenstein in seiner Amtszeit ist die Realisierung des Denkmals Erdbunker. „Einen Erdbunker hat vor uns noch niemand aufgemacht“, sagt er. Da Veitsbronn in der Einflugschneise nach Nürnberg liegt, mussten die Einwohner im Zweiten Weltkrieg damit rechnen, dass die Aliierten bei der Bombardierung der damaligen Reichsparteistadt auch Veitsbronn treffen. Im Ort, vorwiegend auf privaten Grundstücken, haben Familien sieben Erdbunker gebaut, um darin Schutz zu suchen. Das waren einfach Gänge, die unterirdisch oder in den Berg gegraben wurden. „Als Kinder waren wir verbotenerweise da noch drin“, so Strunz. In den Folgejahren wurden die Eingänge der Erdbunker zugeschüttet. Alfred Strunz hatte die Idee, einen Eingang gesichert zu öffnen und somit als Zeitzeuge zu bewahren. Als gemeinsames Projekt des Heimatvereins, der Gemeindeheimatpflege, der Gemeinde, des Landkreises und mit Unterstützung durch die LEADER-Förderung wurde ein Bunkereingang als Denkmal im Jahr 2017 offiziell eröffnet. Gesichert durch ein Gitter ist der Zugang zwar aus Sicherheitsgründen verschlossen, aber der Blick reicht einige Meter ins Innere. Allein im Jahr 2019 hat Alfred Strunz 17 interessierten Gruppen von 2 bis 50 Personen den Erdbunker erklärt.
Wie viel Zeit er in seine Aktivitäten in der Doppelfunktion Heimatpfleger und Vereinsvorsitzender investiert hat, kann er gar nicht benennen. „Das macht mir so viel Spaß und ich habe so tolles Feedback bekommen, dass mich das immer motiviert hat“, erzählt er. Also hat er auch gleich noch ein anderes Projekt angestoßen und umgesetzt: Die Waagenausstellung. Der Verein hatte einige historische Waagen gesammelt und Strunz befürchtete, dass mit der digitalen Entwicklung die alte Technik peu à peu verschwindet. Im Ortsteil Retzelfembach gab es noch das alte Waaghaus mit Viehwaage, die er ebenfalls vor dem Abbau retten wollte. Also zogen etwa 100 Waagen verschiedenster Art mitten in Retzelfembach in das historische Waaghaus ein. Kurioses, wie einen kleine Briefwaage oder eine Eierwaage, die die Größenkategorie anzeigt, sind ebenso darunter wie schmuckvolle Küchenwaagen, Apothekerwaagen oder Industriewaagen. Im September 2017 wurde die Waagenausstellung offiziell eröffnet. Mit einem kleinen „Kunstgriff“ ist sie sozusagen jederzeit zugänglich, denn zwei an der Türe angebrachte Bullaugen (auf Erwachsenen- und Kinderhöhe) ermöglichen es, jederzeit einen Blick auf die Exponate zu erhaschen.
Dass Alfred Strunz gute Ideen hat und diese auch umsetzt, hat er mit der Visualisierung einer weiteren historischen Begebenheit bewiesen. Laut Überlieferung hat zu Kriegsende der damalige Bürgermeister und Metzger Melchior Zimmermann den Ort an die Amerikaner übergeben. Statt einer weißen Fahne nahm er pragmatisch seine Metzgerschürze. Alfred Strunz hat einen US-amerikanischen Jeep organisiert, einen Mann in amerikanische Uniform gesteckt, den anderen als Metzger mit Schürze ausstaffiert und ein Foto gemacht. Auf einer Erinnerungstafel ist diese Szene nun genau an dem Platz der einstigen Ortsübergabe angebracht.
„Die Heimatpflege ist eine Beratertätigkeit“, definiert Strunz sein langjähriges Ehrenamt. Er wurde bei der Restaurierung von Häusern gehört, wurde bei der Denkmalpflege zu Rate gezogen. Im Juli hat er sein Amt abgegeben. Lange Jahre sei kein Nachfolger in Sicht gewesen, aber nun ist die Zeit reif. Langweilig wird es ihm bestimmt nicht werden. Alfred Strunz bleibt weiterhin Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins. Nun hat er mehr Zeit, sich der Archivierung der Depotbestände und der Katalogisierung der Exponate zu widmen. Etwa 90 Prozent der Exponate stehen ja schon in den Startlöchern.
Alfred Strunz übergibt den Stab an Sabine Schöberl
Nach zwölf Jahren beendet Alfred Strunz seine Tätigkeit als Gemeindeheimatpfleger. „Eine gewisse Verjüngung tut Not“, sagt er. Seine Nachfolgerin ist Sabine Schöberl. Der Gemeindeheimatpfleger wird vom Gemeinderat gewählt. Die Veitsbronnerin Sabine Schöberl ist ebenfalls im Heimat- und Geschichtsverein e.V. als Schriftführerin engagiert. Schöberl ist außerdem die Autorin der neu erschienenen Veitsbronner Chronik „Sieben Dörfer und ihre Menschen“. Alfred Strunz wird als Vorsitzender des Heimatvereins die Gemeindeheimatpflegerin nach Wunsch gerne mit seinem Wissen unterstützen. „Schließlich profitieren von der Arbeit des Heimatpflegers alle Einwohner“, so der Pionier dieses Ehrenamts.
Andrea Müller