Natasha Marquardt – Die singende Busfahrerin

Natasha Marquardt aus Kreppendorf ist das, was man einen Tausendsassa nennt. Sie singt, ist als freie Rednerin tätig und fährt tonnenschwere Busse, hat eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten absolviert, außerdem fünf Fernstudien und sie vermietet Ferienwohnungen. Es gibt wenig, wofür sie nicht zu begeistern ist. Aktuell träumt sie von einem Ferienhaus in Irland und dem Schreiben eines Blogs gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten. Rasten und ruhen ist ihre Sache nicht. Den Linienbus steuert sie am liebsten auf den stark frequentierten Strecken. Mit Josh Reuter sprach sie darüber, wie Corona das Busfahren verän-dert hat, über ihren Ruf als „singende Busfahrerin“ und ihre Zukunftspläne.

Die singende Busfahrerin Natasha Marquardt

Frau Marquardt, Sie singen, sind als Freie Rednerin tätig und Sie fahren tonnenschwere Linienbusse – was davon machen Sie warum am liebsten?
Marquardt: „Im Prinzip ist es die Kombi. Ich bezeichne mich als sehr empathischen Menschen und kann mich in allen Bereichen – auch beim Busfahren – auf Menschen einlassen und versuchen, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.“

Sind das alles gleichermaßen Berufe für Sie oder gibt es Unterschiede? „All diese Dinge – egal ob mein Hauptjob bei der VAG, das freie Reden oder inzwischen auch meine Ferienwohnung in Veitsbronn – sind feste Bestandteile meines Berufslebens. Lediglich das Singen habe ich als Hobby begonnen. Das ist jetzt 21 Jahre her und es wurde im Laufe der Jahre ebenfalls eine feste Einnahmequelle. Beim Singen habe ich tatsächlich das Hobby zu meinem (Neben-)Beruf gemacht.“

Seit wann steuern Sie Busse der VAG und wie kam es dazu?
Ich habe im Januar 2018 meinen Busführerschein begonnen und Anfang März 2018 hatte ich ihn in der Tasche. Diesen habe ich zu hundert Prozent selbst gezahlt, kein so preis-günstiges Vorhaben. Aber: Wenn ich etwas möchte, dann zieh ich es durch. Halbe Sachen gibts bei mir nicht. Anfangs bin ich dann im Auftrag der VAG bei einem Privatunternehmer gefahren. Hier war ich auch als Disponentin für den Linienverkehr angestellt, so konnte ich einen guten Rundumblick bekommen. Zur VAG selbst bin ich dann im Januar 2019 gekommen – beste Entscheidung!“

Haben Sie noch andere Berufe erlernt?
„Nach der Schule habe ich eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten gemacht. Das war allerdings sehr trocken. Ich habe die Ausbildung zwar beendet, aber ich konnte mir anschließend nicht vorstellen, diesen Beruf weiterhin auszuüben. Ich war dann in verschiedenen Büros tätig und habe nebenbei fünf Fernstudien aus unterschiedlichen Bereichen absolviert.“

Sie singen auf Hochzeiten und Geburtstagen: Welches ist das für Sie schönste Hochzeitslied und welches sollte bei einem Geburtstag nicht fehlen?
„Ich habe in den 21 Jahren Singerei knapp 300 Hochzeiten musikalisch begleitet. Der Klassiker „Halleluja – Leonard Cohen“ ist fast immer vertreten gewesen. Ansonsten ist es querbeet. Kirchenlieder werden eher selten gewünscht; deutsche Lieder (Silbermond, Nena, etc.) haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Bei Geburtstagen singe ich nur Ständchen, ein abendfüllendes Repertoire habe ich bewusst nicht. Bei den Ständchen ist es ebenfalls querbeet, da es meist alters- und geschlechtsabhängig ist, was gesungen werden soll. Aktuell singe ich aber nur noch auf Beerdigungen. Auch dort werden immer häufiger moderne und schwungvolle Lieder gewünscht. Sollte ich ein bestimmtes Lied als Lieblingslied für eine Hochzeit heraussuchen, wäre es wahrscheinlich „You raise me up“ oder auch „Wind beneath my wings“. Bei einem Geburtstag wären es wohl dieselben, da mir diese Lieder einfach super gut gefallen.“

Sie sind auch Künstlerin – wie haben Sie als solche das Corona-Jahr erlebt?
„Corona hat mir als Künstlerin sehr große Einbußen beschert, ganz klar. 2020 fand nur eine einzige Hochzeit statt, bei der ich die freie Trauung gehalten habe. Ansonsten hat mir Corona aber gezeigt, dass man dann, wenn es am schönsten ist, aufhören sollte. So habe ich meine Aktivitäten im Bereich Hochzeit sowohl für Reden als auch Gesang komplett zurückgeschraubt. Ich singe und rede aktuell nur für Beerdigungen und Trauerfeiern. Darin gehe ich sehr auf, denn das ist eine sehr dankbare und emotionale Aufgabe.”

Was hat es mit dem „kleinen Konzert aus meinem Büro“ auf sich?
„Das kleine Konzert aus meinem Büro war immer eine kleines „Bonbon“ für meine Follower auf Facebook. Ich denke, dass das immer ganz gut angekommen ist.“

Wie hat Corona das Busfahren verändert?
„Durch Corona hat sich – meiner Meinung nach – einiges beim Busfahren verändert. Als die erste Sitzreihe durch Bänder abgetrennt war, kam ich mir schon recht einsam vor. Ich pflege immer ein gutes Miteinander mit den Fahrgästen. Das war dann weg und man war vorne mit sich alleine. Obwohl die erste Reihe und die Tür vorne mittlerweile wieder zugänglich sind, steigen die Fahrgäste zu 90 Prozent hinten ein, sodass man in machen Schichten kaum gegrüßt wird. Alles ist sehr viel anonymer geworden. Für mich als kommunikativen Menschen ist das schon anstrengend, aber man kann es nicht ändern. Vielleicht wird es ja mit der Zeit wieder anders und die Fahrgäste steigen wieder vorne ein.”

Haben Sie auch schon mal im Bus gesungen?
„Im Dezember 2019 habe ich das VAG-Weihnachtssingen live im fahrenden Bus gemacht. Ich habe mich unter die Fahrgäste gemischt und mit ihnen bekannte Weihnachtslieder gesungen. Die Aktion kam sehr gut an, und ich hoffe, dass wir diese bald wiederholen können.“

Man spricht mittlerweile von Ihnen als von der „singenden Busfahrerin“. Gefällt Ihnen das?
„Ich finde den Titel toll und passend. Er hat schon einen gewissen Wiedererkennungswert und das finde ich besonders schön. Auch wenn man dadurch Neider hat, aber im Großen und Ganzen ist es wirklich eine schöne Sache.“

Was sagen Ihre Kollegen, Familie und Bekannte zu Ihren vielseitigen Talenten?
„Ich bekomme von meinen Freunden und Bekannten durchweg positive Rückmeldung. Sie kennen mich nicht anders. Ich bin jemand, der viel Neues probiert und sehr vielseitig interessiert ist. Es gibt wirklich nur sehr wenige Themen, womit man mich nicht locken könnte.“

Was hält Ihr Partner von Ihrer Vielseitigkeit?
„Er ist – so denke ich – ziemlich stolz auf mich und das, was ich so tue. Allerdings beruht das auf Gegenseitigkeit. Ich finde es sehr wichtig, dass man sich in einer Beziehung gegenseitig pusht und das unterstützt, was der andere tut.“

Ihr Lebensgefährte ist auch Busfahrer – wer fährt besser?
„Ich glaube, unsere Fahrstile sind sehr ähnlich. Wer von uns besser fährt, kann ich nicht beurteilen. Ich würde behaupten, dass wir beide sehr vorausschauend und kundenorien-tiert fahren, um den Fahrgästen eine komfortable Fahrt zu bieten.“

Gibt es Projekte, die Sie noch unbedingt umsetzen wollen?
„Projekte gibt es immer bei mir. Manchmal entstehen diese aus einer spontanen Idee, andere schiebe ich jahrelang vor mir her, weil der passende Zeitpunkt noch nicht gekommen ist. Aktuell schwebt mir ein gemeinsamer Blog mit meinem Partner Patrick und ein Ferienhaus in Irland vor. Aber alles noch im Gedankenkarussell. Die Zeit wird es bringen.“

Wie gestalten Sie die Ihnen noch verbleibende Freizeit?
„Ich liebe es sehr, die Zeit mit Patrick zu verbringen. Da wir beide im Schichtdienst arbeiten, ist diese knapp bemessen. Wir versuchen aber, jede Minute, die uns bleibt, miteinander zu ver-bringen. Für andere mag das sehr „klettig“ klingen, für uns ist es genau das Richtige. In dieser Zeit machen wir gerne Spaziergänge, grillen, gehen Eis essen, schauen Filme oder tauschen uns über die Vorkommnisse auf der Arbeit aus.“

Wenn Sie in Urlaub fahren – ist es eine Busreise?
„Nein, eine Busreise kommt für mich gar nicht in Frage. Ich mag Städtereisen mit dem eigenen Auto bzw. Mietwagen vor Ort. Reisen sind für mich kurz und prägnant. Drei Wochen am Stück könnte ich nicht verreisen, dafür bin ich einfach viel zu gerne zu Hause. Höchstens Irland, das ist meine zweite Heimat.“

Welches ist Ihre liebste Bus-Strecke?
Und Ihr Lieblingslied? „Ich fahre am liebsten die Linien 43/44. Diese gehen vom Nürnberger Hauptbahnhof einmal durch Zabo zur Heinemannbrücke bzw. nach Zabo-Ost. Viele meiner Kollegen mögen diese aber überhaupt nicht, da sie schon sehr stark frequentiert und stressig sind. Aber mir ist das lieber, als wenn ich stundenlang nur eine Handvoll Fahrgäste befördern kann. Mein persönliches Lieblingslied variiert sehr. Ich höre gerne Country und die Band Runrig.“

© JOSH 2021